Die dritte Ausgabe unseres Pluralistischen Gedenkkalenders #Erinnerungsfutur ist nun als Printausgabe verfügbar.
Wir alle sind in diesem Jahr mit Herausforderungen konfrontiert, die allesamt Erinnerungskultur direkt betreffen. Die Wahlerfolge und das Erstarken rechtsextremer und faschistischer Kräfte in Europa, der andauernde Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der terroristische Angriff der Hamas auf Israel sowie der andauernde und sich ausweitende Krieg in Gaza, im Libanon, mit dem Iran, die sich verschiebenden globalen Dynamiken hin zu Autokratie und Menschenfeindlichkeit, die zuletzt durch die Wiederwahl eines verurteilten Kriminellen zum Präsidenten der USA sichtbar wird.
Unter der Last dieser und so vieler weiterer Ereignisse erleben wir tagtäglich, wie zivilgesellschaftliche Bündnisse und Allianzen zerbrechen – durch fehlende Solidarität, aktive Entsolidarisierung und fehlende Empathie. Marginalisierte Gruppen werden gegeneinander ausgespielt – und spielen sich gegenseitig aus. Zu einem entscheidenden Zeitpunkt werden die gemeinsamen Visionen für unsere plurale Gesellschaft und ein solidarisches Europa empfindlich geschwächt – und die Homogenitätsfantasien rechtsextremer Kräfte und ihre Vorstellung vom Kampf als zentraler Idee der Politik werden gestärkt.
Die Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD) und ihre Partner*innen sind hier eine Ausnahme. In einer Zeit, in der wir dafür kämpfen, dass Räume erhalten bleiben, baut die CPPD ihre Räume noch weiter aus. Im Angesicht des Zusammenbruchs setzen wir auf Zusammenarbeit. An den kollaborativen, an den pluralen, an den dialogbasierten Ansätzen unserer Arbeit hat sich im vergangenen Jahr vor allem eines geändert: Wir haben unser Engagement verstärkt, gerade weil an so vielen Stellen in der Zivilgesellschaft, im Diskurs, so tief klaffende Lücken sichtbar wurden oder sich neu und tiefer aufgetan haben. Denn darin besteht unsere Arbeit: Unser bestes darauf zu richten, dass die antidemokratischen und völkischen Kräfte nicht das tun, was sie sich wünschen und was sie offen versprechen: die Abschaffung der pluralen Demokratie.
So plural unsere Gesellschaften sind, so plural sind die Erinnerungsmomente, so plural muss auch Erinnerungskultur gestaltet werden. Erst dann, wenn wir uns die Vergangenheit als komplexes Netz an Erinnerungsmomenten denken, werden wir ihr gerecht. Und damit auch der Gegenwart, die ja heute mehr als zu Beginn unserer Arbeit bedroht ist von einer Rückkehr der Traditionen der Gewalt. Pluralität bedeutet, auch für die deutsche und europäische Erinnerungskultur, sich immer wieder dieser Gleichzeitigkeit und teils auch Ambivalenz bewusst zu werden und sich ihnen zu stellen. Gerade dann, wenn wir verstehen, wie sehr wir mit der Vergangenheit immer auch die Gegenwart erinnern – ihre Konflikte, Kämpfe und gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse.
Für diese Gleichzeitigkeit steht auch der Plurale Gedenkkalender #Erinnerungsfutur. Er versammelt Beiträge von Mitgliedern aus dem CPPD-Netzwerk und Gastautor*innen, die in journalistischen Texten, wissenschaftlichen Abhandlungen, Interviews und kreativen Formaten verschiedenste Gedenktage reflektieren und den erinnerungskulturellen Kanon erweitern. Dass der Kalender nun in dritter und erweiterter Ausgabe erscheint, zeigt die Weite erinnerungsrelevanter Themen an den Schnittstellen von Antisemitismus, Ableismus, Rassismus, Queer- und Menschenfeindlichkeit sowie Widerstandsgeschichte und offiziellen Gedenktagen.
Der Plurale Gedenkkalender zeigt eines ganz deutlich: Erinnerungskultur muss sich nach den Menschen in Europa richten, nicht nach einer Vorstellung davon, wie diese Menschen zu sein haben. Pluralität ist nicht das zentrale Problem der Gesellschaft, sondern ihre Grundlage. Es ist unsere feste Überzeugung, dass das auch für die Erinnerungskultur gelten muss: Dass wir die Erinnerung gemeinsam erzählen und nicht allein, weil wir gemeinsam das gestaltet haben– und von dem gestaltet wurden – was wir heute Gegenwart nennen.
Die CPPD ist, wie dieser Gedenkkalender auch, ein Versuchsfeld. Und die Ergebnisse, die wir erzielen, die Einsichten, die wir gewinnen, sind wie das Erinnern selbst: Unabgeschlossen, unvollständig, in dauernden Prozessen der Veränderung. Daher gilt auch für die inzwischen dritte Auflage von »Erinnerungsfutur«: Wir bitten alle Lesenden, uns weitere Gedenktage und Erinnerungsmomente zu nennen, um den Kalender zu ergänzen und gemeinsam fortzuschreiben, denn: Eine resiliente Demokratie kommt ohne eine Plurale Erinnerungskultur nicht aus.
Sie möchten einen Gedenkkalender erhalten? Gegen eine Spende senden wir Ihnen gerne eine Ausgabe zu. Bestellungen können per E-Mail an gedenkkalender@dialogperspektiven.de mit dem Betreff „Bestellung CPPD Gedenkkalender 2025“ und unter Angabe der postalischen Adresse aufgegeben werden.