Future 500 | Rückblick: Chemnitz Study Trip 2025 – Digital Remembrance. Plural Perspectives

7. – 9. Oktober 2025
Chemnitz, Deutschland

Algorithmen entscheiden heute darüber, welche Geschichte(n) und Erinnerung(en) überleben und welche in digitaler Vergessenheit verschwinden – und damit ist die Frage, wie Europa sich an seine Vergangenheit erinnert, zu einem Schlachtfeld für die Demokratie selbst geworden. Während sich die Polarisierung vertieft und gemeinsame Narrative zerbrechen, ist Erinnerung längst keine Frage mehr von Denkmälern und Gedenkstätten – sie wird zunehmend durch profitorientierte Plattformen, emotionale Dynamiken und digitale Architekturen geformt, die kollektives Gedächtnis privatisieren und fragmentieren. Vor diesem Hintergrund versammelten sich in Chemnitz – einer Stadt, die sich als Kulturhauptstadt Europas neu erfindet und sich gleichzeitig mit ihrer eigenen herausfordernden Geschichte auseinandersetzt – Künstler*innen, zivilgesellschaftliche Aktivist*innen und digitale Expert*innen, um die Erinnerung aus den Randbereichen des Internets zurückzuerobern. Ihre Aufgabe: zu beweisen, dass demokratische Erinnerungsarbeit nicht nur digitale Fragmentierung überleben kann, sondern stärker, partizipativer und inklusiver daraus hervorgehen kann als je zuvor.

     

(Foto: Natalia Reich)

Als Antwort auf diese Herausforderung kollaborierten die Programme von DialoguePerspectives e.V. – Future 500, Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD), Dagesh – Jewish Art in Context) – mit dem EU-finanzierten Forschungsprojekt TWON, um Erinnerungskultur mit digitaler Bildung und demokratischer Partizipation zu verbinden.

     

In einer Stadt, die von Erneuerung und herausfordernden Geschichten geprägt ist, und im Kontext der Kulturhauptstadt Europas förderte die Zusammenarbeit innovative Ansätze für inklusive Erinnerung. Sie demonstrierte, dass kollektives Gedächtnis durch Zusammenarbeit und kritische Auseinandersetzung digitaler Fragmentierung standhalten und stärker sowie partizipativer hervorgehen kann.

Das Programm brachte Künstler*innen, lokale Organisationen, Expert*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen zusammen, um neue Formen der Erinnerung im digitalen Zeitalter zu erkunden. Durch Aufführungen, Workshops und öffentliche Diskussionen untersuchten die Teilnehmer*innen die Schnittstelle von Technologie, Kultur und lokalen Geschichten bei der Gestaltung kollektiven Gedächtnisses.

     

(Fotos: Anne Schober)

Mit einem Konzert und einem Künstlergespräch von Alex Stolze und Daniel Laufer als Teil von Dagesh Studio on the Road – #Sukkot Edition begann der Workshop. Alex Stolzes Album Raash ve Ruach reflektiert die Ereignisse des 7. Oktober 2023 und die Resilienz jüdischen Lebens heute. Dieser künstlerische Auftakt gab den Ton für die folgenden Tage vor und präsentierte Erinnerung als lebendigen, dialogischen Prozess. Interaktive Formate wie das TWON Citizen Lab luden Teilnehmer*innen und die Öffentlichkeit ein, die Art und Weise zu erleben, wie digitale Plattformen emotionale Dynamiken und öffentliche Meinung strukturieren, und regten zur Reflexion über Transparenz und Rechenschaftspflicht im Netz an. Diskussionen über politische Erinnerungsarbeit und kreativen Widerstand erkundeten, wie Erinnerung über Gemeinschaften und Plattformen hinweg praktiziert werden kann, während eine Sitzung über die vietnamesische Diaspora in Chemnitz Migrationsgeschichten, Gemeinschaftserinnerungen und Rassismuserfahrungen in den Vordergrund rückte.

Das öffentliche Panel „Practices of Remembrance in Digital Spaces“ mit Dr. Jonas Fegert, Nhi Le, Susanne Siegert und Moderator Benjamin Fischer brachte die Diskussion zu einem breiteren Publikum, indem es untersuchte, wie KI und soziale Medien traditionelle Erinnerungsformen nicht nur herausfordern, sondern auch neue Möglichkeiten für digitale Erinnerungsarbeit eröffnen – ihre Reichweite, Zugänglichkeit und kreativen Ausdruck durch Plattformen wie digitale Archive und interaktive Formate erweitern. Das Panel fand im Offenen Prozess – Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex statt, einem besonders bedeutsamen Ort, da er sich mit dem Erbe rechter Gewalt auseinandersetzt und kritische, partizipative Ansätze für Erinnerung und Gerechtigkeit im zeitgenössischen Deutschland fördert.

     

Indem das Programm vielfältige Perspektiven verband – von lokalen Geschichten bis zu digitaler Ethik – verwandelte es Chemnitz in ein Labor für gemeinsame Erinnerung. Es demonstrierte, wie kollaborative Initiativen komplexe Geschichten in gemeinsame Verantwortung übersetzen können und dabei sowohl kulturelle Partizipation als auch demokratische Resilienz stärken.

Der Chemnitz Study Trip machte eines deutlich: Erinnerung im digitalen Zeitalter muss partizipativ sein und sich der Machtstrukturen kritisch bewusst sein. Der Workshop bekräftigte die einzigartige Rolle von Future 500 und DialoguePerspectives e.V. mit seinen verschiedenen Programmen als interreligiös-weltanschauliche Plattform zur Förderung von Pluralismus online und offline. Demokratisches Gedächtnis heute zu verteidigen bedeutet, die Räume zu verteidigen, in denen es geteilt, diskutiert und transformiert wird – sowohl online als auch offline.

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