Angesichts zunehmenden Online-Hasses, von Desinformation und Polarisierung ist eines deutlich: Demokratische, plurale digitale Räume müssen bewusst gestaltet werden – nicht passiv ertragen.
Das Design heutiger digitaler Plattformen spielt eine zentrale Rolle bei der Meinungsbildung, wird aber zunehmend von intransparenten Algorithmen, emotionaler Verstärkung und mächtigen Tech-Konzernen geprägt, die nur minimal öffentlich kontrolliert werden. Rechte und autoritäre Akteur*innen nutzen diese Systeme gezielt aus – mit KI-generierter Desinformation, Verschwörungsnetzwerken und koordinierten digitalen Angriffen, um das Vertrauen in demokratische Institutionen zu untergraben. Diese Dynamiken betreffen marginalisierte Gruppen im öffentlichen Diskurs in besonderem Maße, darunter religiöse Minderheiten und „of Color“-Communities. Der deutliche Anstieg von Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus im Netz zeigt, wie schnell sich Hass verbreiten kann, ohne dass die Verursacher*innen zur Verantwortung gezogen werden – mit Gefahren für die individuelle Sicherheit und für die Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften.
Als interreligiös-weltanschauliche Plattform und in Zusammenarbeit mit unseren Partner*innen im EU-geförderten TWON-Projekt haben wir junge europäische Führungskräfte vom 11. bis 14. Mai 2025 zum DialoguePerspectives Vienna Citizen Lab 2025 nach Wien eingeladen. Unter dem Titel „Free Speech or Free-for-All? Tackling Hate, Misinformation and Polarisation in the Age of AI and Tech-Oligarchs“ haben wir mit Expert*innen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Technologie, Aktivismus und Religionsgemeinschaften diskutiert, wie digitale Räume demokratischer, transparenter und inklusiver gestaltet werden können. Wie Dr. Jonas Fegert (FZI) treffend formulierte: „Demokratischer Rückschritt lässt sich nicht von Technologien und Plattformen trennen. Plattformmechanismen und algorithmische Gewichtung haben zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte beigetragen“.

In interaktiven Workshops, Panels und Diskussionen untersuchten die Teilnehmer*innen des Citizen Labs Mechanismen der Rede-Regulierung (Speech Governance / Content Moderation) und des Plattformdesigns. Zentrale Themen waren Inhaltsmoderation, Meinungsfreiheit, Hassrede und Desinformation. Dabei wurden nicht nur Probleme analysiert – es entstanden auch konkrete Strategien, um digitale Diskursräume inklusiver, verantwortungsvoller und demokratischer zu gestalten. Ein Schwerpunkt lag auf den Geschäftsmodellen der Plattformen, deren algorithmisch gesteuerte Inhaltsbewertung und werbefinanzierte Strukturen Polarisierung fördern und marginalisierte Stimmen verdrängen. Daraus entwickelten sich Debatten über demokratische Kontrolle, Nutzer*innenvertretung und die Notwendigkeit stärkerer Gemeinwohlverpflichtungen für Tech-Unternehmen und politische Entscheidungsträger*innen. Zugleich wurde diskutiert, wie digitale Werkzeuge durch Bildung, Erinnerungskultur und Storytelling zu kritischer digitaler Mündigkeit und zur Bekämpfung von Hass beitragen können.
Den Abschluss bildete eine öffentliche Veranstaltung zu Meinungsfreiheit und Plattformverantwortung im digitalen Zeitalter. Ein erstes Panel mit europäischen Expert*innen aus Politikwissenschaft, maschinellem Lernen und Public Policy beleuchtete, wie rechtliche, ethische und technologische Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden müssen, um Desinformation zu begegnen und zugleich den offenen Diskurs zu bewahren. Ein zweites Panel diskutierte konkrete Auswirkungen von Hassrede und Desinformation auf gesellschaftliches Vertrauen und die Sicherheit von Minderheiten. Forscher*innen, Pädagog*innen und Aktivist*innen stellten Strategien aus Bildung, Erinnerung und Community-Organising vor – mit dem klaren Appell: Demokratie braucht alltägliche Resilienz und inklusive Dialoge ebenso wie klare Regeln und politische Regulierung.

Ein zentrales Ergebnis des Citizen Labs ist ein gemeinschaftlich entwickelter Policy Brief, der zentrale Einsichten und Empfehlungen zusammenführt – mit konkreten Vorschlägen für eine transparentere, inklusivere und demokratischere digitale Governance.
Das Vienna Citizen Lab machte eines deutlich: Plattformverantwortung ist keine rein technische Frage – sie ist zutiefst politisch, ethisch und gesellschaftlich. Die Teilnehmer*innen betonten, dass digitale Solidarität Gemeinschaften stärken kann – und dass die Räume dafür zunehmend gefährdet sind. Die Verteidigung digitaler Demokratie braucht daher mehr als gute Regulierung: Sie braucht ein starkes gesellschaftliches und politisches Bekenntnis zu inklusiven digitalen Öffentlichkeiten – zu Räumen, die Polarisierung widerstehen und marginalisierte Stimmen hörbar machen. Und sie braucht den Mut, Tech-Konzerne und Regierungen in die Pflicht zu nehmen, Plattformgestaltung am Gemeinwohl auszurichten.

Für detaillierte Informationen zu den Workshops sowie den Workshopleiter*innen und Panelist*innen finden Sie anbei das Programm.
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Next Steps
Coalition for Pluralistic Public Discourse
Festival MEMORY MATTERS “Erinnern im Konflikt”
12. Juni 2025 | Halle (Saale), Deutschland
DialoguePerspectives e.V.
Sommerfest
13. Juni 2025 | Berlin, Deutschalnd
Für weitere Informationen über DialoguePerspectives kontaktieren Sie uns bitte unter info@dialogperspektiven.de oder besuchen Sie unsere Website.
www.dialogueperspectives.org
Foto Credits: Andreas Daniel Jakob