CPPD | Rückblick: »Memory Matters: IMPORT/EXPORT: ERINNERN«

Die Europawahl verdeutlicht: Erinnern muss ins Zentrum demokratischer Reflexionen und zukunftsgewandten Handelns rücken. Das »Wir« europäischer Erinnerung verändert sich. Pluralistische Erinnerungskulturen bieten die Chance, über die Erzählungen unserer Vergangenheit und Gegenwart eine resiliente europäische Gesellschaft zu gestalten, die mehr sein kann: eine europäische Gemeinschaft.Federführend müssen dabei die Zivilgesellschaft sowie kulturelle Einrichtungen sein. Kulturelle Einrichtungen wie Theater, Verlage, Museen, Clubs oder Konzerthäuser können Vorreiter sein in der Erprobung und Einübung einer Pluralistischen Erinnerungskultur: Das »Wir« unseres Erinnerns kann genau dort inklusiv, experimentell, mutig, pluralistisch geschehen. Temporäre, dynamische und partizipative Ausstellungen wie durch das Dynamic Memory Lab ermöglicht, weisen den Weg in die Zukunft von Gedenkstätten und Erinnerungsorten.

Diese Erkenntnisse sind nur einige der zentralen Ergebnisse des dezentralen Festivals »Memory Matters«, das von der CPPD gemeinsam mit dem Staatstheater Nürnberg vom 14. bis 16. Juni veranstaltet wurde.

Der Bedarf an pluralen Erinnerungskulturen resultiert auch aus den Lücken in unserem Erinnern. Nürnberg steht exemplarisch für genau diese Lücken. Während Stadt, Land und Bund in der Vergangenheit hauptsächlich die Erinnerung an die Reichsparteitage von 1933 bis 1938 fokussierten, war Nürnberg auch der Schauplatz der Nürnberger Prozesse gegen 24 Hauptkriegsverbrecher und sechs kriminelle Organisationen des „Dritten Reiches“. Diese Prozesse symbolisieren einerseits den Versuch der Alliierten, die Verbrechen der Nationalsozialisten vor der Weltgemeinschaft zu ahnden. Andererseits wurden sie später Teil eines Mythos über die Verbrechen der Nationalsozialist*innen, insbesondere in Deutschland, der die Verantwortung auf wenige Täter*innen fokussierte, die zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Auf diese Weise trugen die Nürnberger Prozesse zur Etablierung eines Geschichtsnarratives bei, der die deutsche „Wiedergutwerdung“ beschreibt und bis heute insbesondere von Geschichtsverfälscher*innen weiterverfolgt wird. Diese Form der Geschichtsschreibung und das damit verbundene „Wir“ unserer Gesellschaft ignoriert sowohl die Vielzahl der Täter*innen als auch die Opfer. 

Um dieser Form der Erzählung zu begegnen, begaben sich im Rahmen von  »Memory Matters: IMPORT/EXPORT – ERINNERN« Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen aus verschiedensten Communities in Panels, Workshops, Performances und weiteren Formaten auf die Suche nach einer postdokumentarischen Erinnerung, die Erinnerungsmomente erzählen, die bislang verschwiegen wurden und werden. 

Am Samstag, 15. Juni 2024,  lud die Künstlerin Nina Prader aus dem CPPD-Netzwerk in dem interaktiven Workshop „MemoryGames“ dazu ein, anhand von gestalteten Kartensätzen persönliche und kollektive Erinnerungen sowie Sichtweisen auf Geschichte und historisches Wissen zu teilen. Durch die Erzählungen der Workshopteilnehmenden entstand so ein lebendiges Archiv, das als Vermittlungswerkzeug zum Gedenken an die Shoah und als Übung zur Bewusstseinsbildung zu Fragen von Geschichte, Identität, Positionierung, Flucht, Asyl, Exil und Migration genutzt werden kann.

Am Sonntag, 16. Juni 2024, leitete Demokratietrainer und CPPD-Mitglied Vatan Ukaj den Workshop „Begegnung in der pluralen Erinnerung“. Durch Körper und Bewegung sowie durch die Auseinandersetzung mit literarischen Erinnerungstexten wurden Strategien für den Umgang mit Erinnerungsarbeit in der Gegenwart erarbeitet.

Das Panel in der Kongresshalle des Reichsparteitagsgeländes „Sprachen des Erinnerns | Sprachen des Vergessens“ wurde mit Mitgliedern aus dem CPPD-Netzwerk besetzt. Es diskutierten Max Czollek, Sharon Dodua Otoo, Prof. Dr. Frederek Musall, sowie Hannan Salamat. Moderiert wurde die Veranstaltung von Benjamin Fischer. Zum Panel brachte jede*r Panelist ein Beispiel aus der eigenen Praxis mit. Anschließend wurde gemeinsam und individuell darüber nachgedacht, wie angesichts des aktuellen politischen Klimas und der Ergebnisse der Europawahl die Arbeit an diesen Themen fortgesetzt werden kann. 

Ein besonderes Highlight von IMPORT/EXPORT: ERINNERN ist das Dynamic Memory Lab der CPPD zum Thema „Codes of Memory in Sinti*- und Roma*-Communities“. Die von Hamze Bytyçi kuratierte Ausstellung wurde durch regionale Perspektiven zu Roma* und Sinti* aktualisiert und erweitert. Das Dynamic Memory Lab sowie die Ausstellung ist im Foyer des Schauspielhauses des Staatstheaters Nürnberg bis Ende Juni für Besucher*innen zugänglich.

Das vollständige Programm der Konferenz ist hier einsehbar:
https://www.staatstheater-nuernberg.de/spielplan-23-24/sprachen-des-erinnerns-sprachen-des-vergessens/16-06-2024/1900

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